Wie ich ohne Vorbereitung einen Marathon gelaufen bin
Mario Malki
Rhein-Main-Gebiet, Deutschland
23 Jahre
Wer bist Du & welche Lebensstory möchtest Du uns heute erzählen?
Hallo zusammen, mein Name ist Mario Malki. Ich bin 23 Jahre alt, im Herzen Philosoph und beruflich selbstständig im Bereich Video- und Fotografie.
Seit etwa 3 Jahren liebe ich es, meine mentalen und physischen Grenzen auszutesten. Aber das war nicht immer so. Vor allem in meiner Zeit als ich Fußball gespielt habe. Wenn es nämlich eins gab, was mein Vater kritisiert hat, war es meine Bereitschaft, ohne den Ball zu laufen. Ich war faul und ging nur so weit, wie ich musste.
Wie ich mich vor 3 Jahren dennoch dazu entschloss freiwillig und ohne Wettbewerb einen Marathon zu laufen, will ich dir heute erzählen.
Wie kam es dazu & was ging Dir durch den Kopf?
Die Corona Pandemie hatte viele negative Seiten. Auch in meinem Leben hat das zu Reibereien geführt. Dennoch verbinde ich diese Zeit mit einer der wichtigsten Veränderungen in meinem Leben: Der Wandel zu einer Leidenschaft für Sport.
Ich erinnere mich ziemlich genau, wie ich 2019 an einem warmen Frühlingsnachmittag mit Freunden am Esstisch saß und aussprach, was mir insgeheim schon länger bewusst war: „Ich kann mich nicht auf meinen Körper verlassen. Ich habe Angst davor, wenn ich in eine Situation komme, in der ich ihn wirklich brauche.“
Zum Ende meines Abiturs hatte ich mit Fußballspielen aufgehört, was zu einer Stagnation meiner körperlichen Betätigung geführt hat. Zwar gab es hier und da eine Laufeinheit, eine Runde kicken oder Basketball spielen, aber ich war weit davon entfernt mich sportlich zu nennen. Das fehlende Vertrauen in meine körperlichen Fähigkeiten entwickelte sich schleichend bis ich zu dieser Erkenntnis kam.
Dann kam im März 2020 Corona nach Deutschland. Mein duales Studium sollte erst 7 Monate später starten, wodurch ich viel Freizeit hatte. In dieser Übergangszeit stieß ich auf Ido Portal und Wim Hof, die einen großen Einfluss darauf hatten, wie ich meinen Körper bis heute wahrnehme. Im Verlauf des Jahres entstand dadurch nach und nach ein Gedanke in meinem Kopf: „Ich muss und kann an meiner Situation etwas ändern.“
Wie bist Du zu Beginn vorgegangen?
Anfang 2021 stieß ich auf den YouTuber und Läufer HellahGood (danke Algorithmus!). Zum damaligen Zeitpunkt joggte er täglich über einen Zeitraum von 1000 Tagen. Stand heute hat er eine Laufserie von über 2500 Tagen, die einen Lauf durch Amerika, mehrere Marathons und Ultramarathons umfasst. Ich war und bin immer noch davon fasziniert, dass unsere Körper zu so etwas in der Lage sind. Er ist nämlich nicht der Einzige, der seinen Körper auf diese außergewöhnliche Art nutzt.
So fing mein Gedanke, etwas ändern zu wollen, Feuer und mein Experiment startete: "Ich werde im April 30 Tage jeden Tag mindestens 3 Kilometer joggen!"
Die ersten 3 Läufe der Challenge
Diese 30 Tage waren bis zu diesem Zeitpunkt das Schwierigste, was ich meinem Körper jemals abverlangt hatte. Der April machte sowieso was er will, sodass ich bei manchen Läufen Minusgrade mit Hagel und Schnee hatte. An anderen Tagen war es strömender Regen und gegen Ende des Aprils hatten wir über 20 Grad. Manche Läufe absolvierte ich um 5 Uhr morgens, andere in meiner Mittagspause und einige nach 18 Uhr. Wenn ich sagen würde, dass es anstrengend war, wäre das eine Untertreibung. Dabei ging es weniger um das Körperliche, sondern vielmehr darum, sich jeden Tag wieder aufzuraffen und, egal wie es draußen aussah, loszulaufen.
Ein Lauf bleibt mir besonders in Erinnerung:
Während der Challenge entschied ich mich, in der dritten Woche insgesamt 50 km zu laufen (pro Tag etwas mehr als 7 km). Am 21.04. (Tag 4 des "Experiments im Experiment") entschloss ich mich, in der Mittagspause zwischen zwei Vorlesungen laufen zu gehen. Als ich die Hälfte gelaufen war, überkam mich ein Schwall an Emotionen. Ich wurde sauer, traurig und war mental sowie körperlich einfach fertig. Ich fing an zu weinen und blieb stehen.
„Wer hat mich eigentlich verarscht? Warum mache ich das überhaupt? Ich will nicht mehr.“
Der Mensch und sein Verstand sind merkwürdig. Er kann in Millisekunden von purer Euphorie zu extremer Traurigkeit schwingen. Und wenn er keine andere Wahl hat, ist er wiederum dazu in der Lage, sich aufzuraffen und weiterzumachen. Das war nämlich der Lauf, an dem ich meine mentale Grenze nicht nur erreichte, sondern auch durchbrach.
Das Glück im Unglück war, dass in 40 Minuten meine nächste Vorlesung anfing und ich noch duschen und essen wollte. Also schlug ich mir selbst auf meine Wangen und lief los. Und soll ich ehrlich sein? Dieser Lauf war auch noch rückblickend schei*e. Aber er war notwendig für meine mentale Weiterentwicklung.
Die 30 Tage haben mich Blut lecken lassen. Die aufkommenden Gefühle beim Durchbruch der eigenen Grenzen waren unbeschreiblich. Es war, als hätte ich den Zugang zu einem unendlichen Pool an Energie und Potential entdeckt. Potential, das meiner Meinung nach in jedem einzelnen Menschen schlummert.
Dieses Experiment führte dazu, dass ich einen Monat später entschied, einen Marathon (42,195 km) zu laufen, obwohl mein längster Lauf bis dahin nur 8 km waren.
Aber wenn ich eins in diesen 30 Tagen gelernt hatte, dann das: Mein Körper kann mehr, als ich es mir je vorgestellt habe und er reagiert auf die Anforderungen, die ich ihm stelle.
Der Termin wurde festgelegt: 2. Juli
Wie ging es dann weiter?
Die Zeit bis zum Marathon war von Diskussionen geprägt. Ich war davon überzeugt, dass es möglich ist, ohne ausgiebige Vorbereitung einen Marathon zu laufen, da das Mentale das Entscheidende für mich war. Die Menschen in meinem Umfeld dachten eher ich sei verrückt. Dabei bin ich nicht einmal der Erste, der den Marathon ohne Vorbereitung gelaufen ist.
Folgendes ging mir durch den Kopf: “Wenn es bereits ein weiterer Mensch geschafft hat, gibt es gar keinen Grund, dass ich es nicht selbst schaffe.”
Meine Überzeugung war so felsenfest, dass ich mich rückblickend selbst frage, ob ich zu der Zeit ein wenig verrückt war. Ich wollte nichts wissen von “unmöglich” oder davon, dass ich mir dabei weh tun würde.
Und ich denke das ist genau der Punkt: Du musst ein wenig verrückt sein, um unsinnige und unvernünftige Ziele zu erreichen. Du musst daran glauben, selbst wenn dein Ehepartner, deine Eltern, deine Geschwister oder deine besten Freunde dir davon abraten. Es ist dein Traum, es ist dein Ziel, es ist deine Vision – warum erwartest du, dass andere daran glauben, wenn du es selbst nicht kannst?
Nüchtern betrachtet war ich natürlich nicht völlig desillusioniert. Es gab genug Indikatoren und Veränderungen, die mir (unter)bewusst Mut gemacht haben und mich in meinen Annahmen bestärkten:
- Mein Körper hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie so gut angefühlt.
- Mein Energielevel war viel höher als zuvor.
Habe ich die Belastung vielleicht ein wenig unterschätzt? Absolut! Aber hätte ich die Belastung nicht immer wieder kleingeredet, hätte ich diesen ersten Schritt nie gewagt. Und dieser erste Schritt war nicht nur der Beginn des Marathons: Dieser erste Schritt war der Start in eine neue Welt. Eine Welt, in der alles möglich ist, was man sich in den Kopf setzt.
Also war es am 2. Juli endlich soweit: Um 08:19 Uhr lief ich los. Ohne Ankündigung, ohne große Aufregung – einfach ich, meine Schuhe und meine Laufweste mit Wasser – so wie ich es bisher immer gemacht hatte, nur diesmal etwas länger.
Die mentale Freiheit, die ich gespürt habe, war unfassbar. Ich fühlte mich leicht, hatte Spaß und war konzentriert. Mein Plan war es, mit einem sehr entspannten Tempo zu laufen, da mir bewusst war, dass 42 km ziemlich lang sein können. Bis Kilometer 14 war ich komplett allein, bis mich ab da eine Freundin auf dem Fahrrad mit Essen und Trinken begleitete. Es war hilfreich, eine zweite Person dabei zu haben, da ich so zwischen vollem Fokus und einem lockeren Gespräch wechseln konnte, je nachdem, was mental zu dem Zeitpunkt angenehmer war. Das Essen und Trinken war natürlich auch essentiell.
Bis Kilometer 30 war der Lauf insgesamt sehr entspannt und überraschend einfach, was mich selbst wunderte. Dann kam jedoch der berühmt-berüchtigte Mann mit dem Hammer. Nachdem ich über 3 Stunden auf den Beinen war, wollten meine Knie und meine Füße nicht mehr und die Schmerzen wurden immer schlimmer. Die letzten 12 Kilometer waren eine Qual, aber aus heutiger Sicht wahrscheinlich die wichtigsten, denn da durchbrach ich erneut eine mentale und körperliche Grenze.
Ab dem 30. Kilometer war es durchgehend ein Wechselspiel zwischen aufhören wollen und sich zusammenreißen müssen. Es kamen wieder die gleichen Gefühle und Gedanken wie bei meiner 30-Tage Challenge hoch: „Warum zur Hölle tue ich mir das an? Am besten breche ich einfach ab. Es weiß sowieso niemand, dass ich das hier gerade mache. Ich will nicht mehr.“
Als die letzten Meter geschafft waren, haben mich meine Gefühle übermannt und ich konnte unter Tränen nicht glauben, dass ich das geschafft habe. Mein Körper wollte es auch nicht wahrhaben und hat mir dementsprechend viele Schmerzen geschenkt.
Hier sind meine Statistiken:
Distanz: 42,53 km
Durchschnittliche Pace: 7:22/km oder 8,2 km/h
Durchschnittliche Herzfrequenz: 136 bpm
Zeit: 5 h 12 min 56 sek
Der Marathon am 2. Juli
Wo stehst Du heute & wie sieht die Zukunft aus?
Ich habe mich fürs erste vom Marathon verabschiedet. Aber diese Zeit der Challenge mit dem Marathon als Höhepunkt hat meine Begeisterung zum Sport und meine Routinen im Sportbereich gefestigt. Derzeit besteht mein Sportprogramm aus 2–3‑mal die Woche Laufen plus 2–3 Einheiten Calisthenics. Und der wichtigste Effekt? Ich vertraue meinem Körper und traue mir so gut wie alles zu.
Das nächste verrückte Ziel ist auch schon gesetzt: Vor meinem 30. Lebensjahr werde ich einen Ironman absolvieren. Das heißt nacheinander: 3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und zum Abschluss der Marathon mit 42,195 Kilometern.
Ist das verrückt? Definitiv. Freue ich mich trotzdem auf die Qualen? Absolut. Denn nur am Rande des Wahnsinns findet man sein wahres Ich.
Und keine Sorge – diesmal bereite ich mich etwas länger darauf vor 😉
Was hast Du aus dieser Erfahrung gelernt?
Es gibt 3 Kernaspekte, die ich aus meiner Lebensstory in alle weiteren Bereiche meines Lebens mitnehme:
- Grenzen sind oft mental
„Denke nicht, wenn etwas dir schwer ankommt, dass es nicht menschenmöglich sei. Vielmehr, wenn etwas für einen Menschen möglich und seiner Natur angemessen ist, so glaube, es sei auch für dich erreichbar.“ – Marcus Aurelius
Nur weil ich mich JETZT nicht so fühle, als könnte ich einen Ironman laufen, heißt das nicht, dass es nicht möglich ist. Ich muss nur den ersten Schritt gehen. Denn auch den Mount Everest erklimmt man nicht, wenn man die ganze Zeit grübelt, ob die Spitze erreichbar ist. Und vor allem wurden der Ironman und die Besteigung des Mount Everests mit 100% Wahrscheinlichkeit von Menschen gemeistert, die bessere, aber auch schlechtere finanzielle oder körperliche Voraussetzungen hatten als ich.
Für die Zukunft höre ich auf nach Ausreden zu suchen und fange an Gründe zu finden, weshalb die Grenzen nur in meinem Kopf existieren.
- Die Macht der Gewohnheiten
Im alltäglichen Leben und bei politischen oder sonstigen Meinungen bin ich von Extremen stark abgeneigt. Wenn es jedoch um neue Gewohnheiten, Sport oder generell Dinge geht, die nur mich selbst betreffen, bin ich ein großer Freund von Extremen. Lass mich das erklären, bevor du denkst ich hätte nicht mehr alle Latten im Zaun:
Für mich ist es einfacher, komplett in das kalte Wasser zu springen, als nur den großen Zeh einzutauchen. Wahrscheinlich kennst du das selbst. Je vorsichtiger du versuchst vorzugehen, desto mehr denkst du nach und spürst jeden einzelnen Grad des Temperaturunterschiedes. Springst du rein, gibt es nur eins: Anpassen.
Iin meinen Augen ist der Mensch ein Anpassungsphänomen und wenn mich eins am Anpassen hindert, dann sind es in 99% der Fälle meine eigenen Gedanken.
3. Be crazy
In meinem Familien- und Freundeskreis bin ich seit ein paar Jahren für meine verrückten Experimente bekannt. Egal ob der Marathon, 30 Tage auf dem Boden schlafen oder 7 Tage lang nichts essen, ich scheue mich nicht davor, „verrückte" Vorhaben zu testen.
Ich bin der Held meiner eigenen Geschichte und der Held in meiner Geschichte entscheidet selbst darüber, was er ausprobiert und was nicht. Er lässt sich nicht einreden, was er machen oder lassen sollte.
Welche Strategien, Methoden & Tools waren entscheidend für Deinen Erfolg?
Die wichtigste Strategie war es, einfach loszulaufen. Nicht viel nachdenken, Schuhe anziehen und raus. Vor allem während der ersten 30 Tage waren die schlimmsten Läufe diejenigen, an denen ich mich am längsten vor der Aufgabe gedrückt habe. Der erste Schritt ist der schwerste. Die Schritte danach sind machbar.
Als Tool zum Tracken meiner Läufe hat eine Sportuhr von Garmin mir gute Dienste geleistet, die ich bis heute nutze. Ansonsten war es sehr hilfreich, die 30 Tage Challenge mit meinem guten Freund Lenni anzugehen und einige Läufe mit Freunden absolviert zu haben.
Welche Bücher, Podcasts oder anderen Ressourcen haben Dich besonders inspiriert?
Ich habe es bereits zu Beginn erwähnt: ich bin im Herzen Philosoph. Das hat mehrere Gründe, aber für diese Lebensstory ist der wichtigste, dass man durch die Philosophie verschiedene Wege des Lebens kennenlernt. Vor allem die Stoiker haben mich in den letzten Jahren sehr inspiriert. Darunter waren die wichtigsten Bücher “Meditationen” von Markus Aurelius, “Das Handbüchlein der Moral” von Epiktet und “Das Hindernis ist der Weg” von Ryan Holiday.
Welchen Rat kannst Du den Leuten, die Deine Geschichte hören, auf ihrem Weg mitgeben?
„Leider sind es öfter die Meinungen über die Dinge als die Dinge selbst, wodurch die Menschen getrennt werden.“ – Johann Wolfgang von Goethe
Ich würde dieses wundervolle Zitat von Goethe gerne ein wenig umdichten:
Leider sind es öfter die Meinungen über uns selbst als wir selbst, wodurch wir von unserem wahren Potential getrennt werden.
Hätte ich meine Selbstsicht nicht über Bord geworfen, könnte ich mich bis heute nicht auf meinen Körper verlassen. Klammere dich nicht zu fest an Glaubenssätze über dich selbst. Du könntest überrascht sein, was in dir steckt.
Wo können interessierte Personen mehr erfahren?
Falls du Interesse hast mit mir Kontakt aufzunehmen, dann besuch gerne meine Webseite oder schreib mir direkt auf LinkedIn oder per E‑Mail.
Webseite: www.malkimedia.com
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/mario-malki