„Unheilbar krank“ – Wenn dein Leben plötzlich auf dem Kopf steht
Mattias Malki
Gründer von Lebensstory
Rhein-Main-Gebiet
Wenn dein Leben zu zerbrechen scheint
Kennt ihr die Momente im Leben, wo euch der Boden unter den Füßen weggezogen wird?
Momente, in denen ihr vor lauter Finsternis das Licht nicht mehr sehen könnt?
Momente, in denen ihr euch fragt – Warum ich?
Rückblickend wird euch bewusst, dass diese Momente euer Leben definiert haben. Sie hätten euch zerbrechen können, aber ihr habt sie genutzt, um zu wachsen. Von solch einem Moment in meinem Leben möchte ich euch erzählen.
Kleine Beschwerden
Die Vorfreude war groß. In einer Woche sollte es auf die kanarischen Inseln gehen. Dem deutschen Winter entfliehen, so der Plan. Meine Koffer waren schon gepackt. Doch mich plagten in den letzten Monaten immer wieder gesundheitliche Probleme. Ich dachte mir nichts Schlimmes. Wahrscheinlich nur eine Pechsträhne. Aber die Beschwerden häuften sich.
Bei einem ärztlichen Routinebesuch dann ein erstes Aufhorchen. „Sie haben erhöhte Zuckerwerte“, sagte der Arzt besorgt. Verwirrt fragte ich, was das denn zu bedeuten hätte. Der Arzt erklärte mir, dass ich Diabetes haben könnte, eine Krankheit, von der ich bis dato dachte, dass nur alte und übergewichtige Menschen sie bekommen können.
Und plötzlich bist du krank
In mir wuchs die innere Unruhe. Ein Jahr? Wie konnte das passieren?
Im Krankenhaus dann die Bestätigung: Diabetes Typ 1. Autoimmunerkrankung. Unheilbar. Lebenserwartung ohne medikamentöse Behandlung 3 Jahre, mit täglicher Zuführung von Medikamenten „nur“ eine Verkürzung um 10 Jahre. Schock. 27 Jahre alt, mitten im Leben und nun unheilbar krank?
Dann die Diagnose: „Ihre Zuckerwerte sind eine Vollkatastrophe. Ich habe ihre Akte gecheckt. Sie laufen schon seit über einem Jahr so rum. Es ist ein Wunder, dass Sie nicht umgekippt sind. Sie müssen sofort ins Krankenhaus. Ich meine das ernst.“, betonte der Arzt.
Das kann nicht wahr sein
„Herr Doktor, ich glaube Ihnen nicht. Unheilbar krank geht nicht! Es muss doch einen Weg geben.“, sagte ich entschlossen, als ob meine Argumentation, etwas daran ändern könnte.
Der Oberarzt entschuldigte sich und wiederholte, dass diese Krankheit nicht zu heilen sei. Er beteuerte mir aber, dass ich gut damit leben können werde. Das war jedoch nicht die Antwort, die ich hören wollte.
„Ich empfehle Ihnen zur Beobachtung im Krankenhaus zu bleiben, damit wir Ihnen helfen können, sich an die Medikamente zu gewöhnen.“, schob der Arzt hinten dran.
Ich blieb und die anbrechende Nacht im Krankenhaus sollte eine Qual werden. Ich konnte nicht einschlafen, meine Gedanken plagten mich – Unheilbar, das geht einfach nicht! Nicht jetzt! Nicht mit 27. Ich habe doch noch so viel vor!
Als meine Augen gerade anfingen zu zufallen, hörte ich eine Stimme: „Wachen Sie auf. Sie müssen Ihre Insulinspritze nehmen.“
In diesem Moment merkte ich, dass sich mein Leben für immer verändert hatte. Ohne Medikamente wird es nicht mehr gehen. Die Tränen liefen mir langsam das Gesicht herunter. Wie soll ich das nun alles schaffen? Das Leben war doch so unbeschwert und jetzt soll ich durch Medikamente eingeschränkt sein?
Nun klopfte der Essensservice an meine Tür. Ich wusch mir die Tränen weg, immerhin gibt es auch genug Andere, die damit leben können, dachte ich mir.
Und da lag es nun vor mir. Das Frühstück. Marmelade, Brot, gesüßter Joghurt.
In mir regte sich Widerstand. Irgendwas ist doch faul, schoss mir durch den Kopf. Wurde mir nicht erst gestern gesagt, dass Zucker mich krank macht? Und nun bekomme ich puren Zucker serviert. Marmelade, gesüßter Joghurt und die Kohlenhydrate des Brotes, welche sich in Zucker zersetzen.
Ich schob das Essen direkt weg und fing an, zu recherchieren.
Wir wissen gar nichts, tun aber so, als wäre alles sicher
Die nächsten 48 Stunden las ich jeden medizinischen Artikel, den ich zum Thema Diabetes finden konnte, schaute jedes Video, verfolgte jede Theorie. Was ich sah, verblüffte mich. Zwar ist die gängige Meinung, dass Diabetes Typ 1 tatsächlich unheilbar ist, aber keiner kann die Ursachen benennen. Die Zahl von Neudiagnosen steigt von Jahr zu Jahr und keiner weiß, woher diese Pandemie von Diabetes-Typ-1-Fällen herkommt. Und in so einer Situation wird eine Krankheit als unheilbar abgestempelt, obwohl die Ursachen nicht mal bekannt sind?
Aber es gab auch Gegenmeinungen. Zwar Mindermeinungen, aber in einer Situation, in der man als unheilbar abgestempelt wird, greift man nach jedem noch so kleinen Strohhalm. Ich akzeptierte zwar, dass ich im schlimmsten Fall mit dem Insulin leben lernen müsste, aber kampflos würde ich nicht aufgeben.
Bei der nächsten Visite fragte ich den Doktor, warum er sich so sicher sei, dass ich unheilbar krank sei, wenn wir doch die Ursache für die Erkrankung noch nicht vollends verstehen. Er verwies auf die gängige Meinung in der Wissenschaft, worauf ich wütend erwiderte:
„Herr Doktor, verkaufen Sie mich nicht für dumm. Ich bin Ingenieur. Ich habe auch wissenschaftliche Arbeiten geschrieben und die Medizin ist auch nur eine Wissenschaft. Alles ist Statistik, Wahrscheinlichkeiten. Nichts ist zu 100% sicher. Und im Gegensatz zu Maschinen ist der menschliche Körper hochkomplex und höchstindividuell. Sie können sich irren. Ich kann sicherlich was dagegen machen“
„Setzen Sie nicht zu viele Hoffnungen da rein. Wir wissen in der Medizin vielleicht nur 1% über den menschlichen Körper, aber es gab bis hierhin einfach keine Heilung“, so der Arzt
Aha. Wir wissen also nur 1%. Vielleicht gibt es doch einen Weg, dachte ich mir.
Für die Freiheit
Eine Woche nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus tat ich alles, was in meiner Macht lag, um diese Krankheit zu bekämpfen. Und es trug erste Früchte. Ich konnte meine Insulinzufuhr von 4 angedachten Spritzen pro Tag auf eine jede zwei Tage reduzieren. Zwar war ich nicht komplett gesund, aber ich konnte diese Krankheit einfach nicht mein Leben bestimmen lassen.
Kurz darauf buchte ich meine Tickets auf die Kanaren. Ich müsste weiterhin frei leben – ohne Angst, sonst wäre es kein Leben mehr. Mein Koffer war zur Hälfte mit Insulin und Spritzzubehör gefüllt. „Für alle Fälle“, dachte ich mir.
Noch im Krankenhaus fing ich an, mich körperlich zu betätigen. Muskeln verbrennen Zucker. Wenn ich mehr Muskeln habe, kann ich mehr Zucker verbrennen, so die Logik. Gleichzeitig bat ich den Essenservice mir nur noch Eier, Käse und Fleisch zu geben. Wenn ich auf kohlenhydratreiche Lebensmittel verzichtete, könnte ich meinen Insulinbedarf reduzieren. Ich fing an, meinen Zuckerwert penibel zu messen. Schaute wie er reagierte, nach dem Sport, vor dem Essen, nach dem Essen, ohne Essen, nach dem Aufstehen, vor dem zu Bett gehen, nach einem stressigen Tag, nach einem ruhigen Tag. Ich maß alles. Und Ich verfolgte jede Theorie und probierte alles aus.
Gesünder als die Gesunden
Drei Monate später der erste Kontrolltermin:
„Das Insulin scheint Ihnen gut zu tun. Ihre Werte sind im optimalen Bereich! Man könnte schon fast meinen, Sie seien gesund“, antwortete der Arzt voll Freude.
„Herr Doktor, ich habe seit kurz nach meinem Krankenhausaufenthalt kein Insulin mehr genommen. Heißt das dann, ich bin gesund?“, grinste ich ihn an.
„Wie haben Sie das gemacht?“, stieß der Arzt verblüfft auf.
„Von gesunder Ernährung, Sport bis hin zu Sonne, Stressreduktion, das Leben lockerer nehmen. Was es genau war, weiß ich nicht, aber ich fühle mich gesund. Vielleicht sollte ich meine Erfahrungen mit anderen teilen, damit sie auch diesen Weg gehen können.“, sagte ich grinsend über beide Ohren.
Daraufhin der Arzt mit fast schon wütender Stimme: „Erstens, Sie sind nicht gesund. Die Krankheit ist nachgewiesen. Sie schlummert in ihnen und zweitens glauben Sie doch nicht ernsthaft, dass die Leute auf ihre Cola und Ihre Pizza verzichten können. Die wenigsten sind so diszipliniert wie Sie!“
Mentale Wiedergeburt
Der Tag, an dem ich in den Flieger Richtung Kanaren stieg, war der letzte Tag, an dem ich Insulin nehmen musste. Dies ist nun 2 Jahre her. Ich lebe seitdem ein normales Leben, und zwar ohne Insulin.
Vielleicht bin ich dennoch „unheilbar krank“, aber so gesund wie ich mich fühle, sollten wir vielleicht darüber sprechen, was "krank" wirklich bedeutet, in einer Welt, in der wir so gut wie nichts über den menschlichen Körper verstehen. Und vielleicht werden sich die Beschwerden irgendwann zurückmelden, das schließe ich nicht aus, denn auch ich bin nur ein Mensch. Aber trotzdem werde ich dann sagen können, dass ich in meinen Augen das menschenmögliche getan habe, um mich nicht von einer Krankheit definieren zu lassen. Immerhin habe ich die letzten 2 Jahre ohne Insulin gelebt, obwohl dies laut ärztlicher Meinung nicht möglich gewesen wäre.
Durch diese Erfahrung habe ich gelernt, dass man sich selbst in den dunkelsten Stunden nicht abschreiben sollte. Selbstverantwortung für seine Gesundheit und auch alles andere im Leben ist der Schlüssel für eine gelungene Zeit auf dieser Welt. Und schlussendlich habe ich gelernt, dass man sich selbst von vermeintlichen Experten niemals einreden lassen sollte, dass sie es besser für dich wissen. Am Ende musst du mit deinen Entscheidungen leben und nicht sie.
Abspann
Wer Fragen oder sich zu dem Thema austauschen möchte, kann sich gerne bei mir melden!
Das Original wurde am 3. August 2023 auf LinkedIn gepostet.