Vom trauernden Enkelkind auf dem Weg zur Sterbeamme
SUSANN SCHMUHL
Dresden, Deutschland
39 Jahre
3 Impulse, die du aus Der Lebensstory für dich mitnehmen kannst
Den Sinn des Lebens finden, auch in dunklen Zeiten
„Mein Sinn des Lebens kam erst ganz leise und dann immer lauter auf mich zugerannt.“
➡️Frage: Was gibt deinem Leben Bedeutung, und wie hat sich dieser Sinn in schwierigen Zeiten gezeigt?
Trauer als Katalysator für Veränderung
„Das Thema Trauer holte mich diesmal vollends ein… Tod und Trauer aus der Tabuzone holen.“
➡️Inspiration: Welche tiefen Erlebnisse haben dich verändert und deine Sicht auf das Leben neu geprägt?
Aus der Krise zu neuer Stärke und Selbstverwirklichung
„Heute bin ich mit mir verbunden, weiß sehr genau, was ich will… Es geht nicht um Perfektion, sondern um Echtheit.“
➡️Reflexion: Welche Schritte könntest du heute unternehmen, um authentischer zu leben und dich auf das zu konzentrieren, was dich wirklich erfüllt?
Wer bist Du & welche Lebensstory möchtest Du uns heute erzählen?
Ich bin Susy, 39 Jahre alt und Mutter eines Teenagers. Mit meiner Familie und einer verrückten Labradordame lebe ich in Dresden. Heute kann ich wieder sagen, dass meine Wohnung und meine Familie ein Zuhause sind – ein Gefühl, das mir lange gefehlt hat. Denn mit nur 20 Jahren verlor ich eine elterliche Bezugsperson, meine Großmutter. Dieser Verlust hat mich einsam, krank und heimatlos gemacht.
Wie kam es dazu & was ging Dir durch den Kopf?
Als junger Mensch glaubt man oft, mit 18 Jahren sei man erwachsen und wisse alles. Doch wenn man nur zwei Jahre später die Person verliert, die einen durch die Flausen, Träume und Krisen der Kindheit und Jugend begleitet hat, den sicheren Hafen, der immer bereitwillig alle Fragen beantwortet hat, erkennt man, dass man noch weit davon entfernt ist, erwachsen zu sein. Ich begleitete meine Großmutter bis zu ihrem letzten Atemzug, und dennoch konnte ich das Geschehene nicht begreifen. An jenem Dezembermorgen 2005 blieb die Welt nicht stehen, aber in mir war nur Leere. Die folgenden Wochen verbrachte ich wie in Trance, organisierte die Beerdigung und hielt, entgegen aller Ratschläge, die Trauerrede selbst – niemand außer mir hätte ihre Wärme und Stärke angemessen beschreiben können. Sie war meine Vertraute, mein Fels in der Brandung, mein Zuhause.
Jahrelang verdrängte ich diesen Trauerprozess, versuchte, die Leere und den Verlust zu ignorieren, indem ich mich ganz in Familie und Beruf verlor. Dabei vergaß ich, wer ich selbst war und was mir guttat. Fünfzehn Jahre später führte dieser verdrängte Schmerz zu einem Zusammenbruch; die Lebensfreude und Sinnhaftigkeit schienen unwiederbringlich verloren. Meine Familie stand mir in dieser Krise bei, doch der Weg hinaus war schwierig. Inmitten dieser Midlife Crisis entschloss ich mich schließlich, mich selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Ich begann eine Ausbildung zum Life Coach und tauchte in die Welt der Psychologie ein, durch Bücher, Videos und Fachartikel. Nach und nach fand ich ihn – erst leise, dann immer stärker: meinen Sinn des Lebens.
Ich wollte für Menschen die Stütze sein, die ich mir selbst so sehr gewünscht hatte. Es erfüllte mich, mich in wissenschaftliche Erkenntnisse zu vertiefen und immer besser zu verstehen, was nötig ist, um sich selbst zu finden. Mein Wunsch war es, anderen zu helfen, anstatt den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen und meinem Bürojob als Projektmanagerin nachzugehen.
Wie bist Du zu Beginn vorgegangen?
Als erstes entwickelte ich ein Kurskonzept, das ich mithilfe kunsttherapeutischer Ansätze gestaltet hatte. Die Kunsttherapie nutzt kreative Methoden, um innere Heilungsprozesse zu fördern. Besonders inspiriert haben mich die Forschungen des Sozialpsychologen James W. Pennebaker, der sich mit verschiedenen Formen des Schreibens und dessen Wirkung auf die Seele auseinandersetzt. Mein Kurs kombiniert Austausch, Entspannung und intuitives Schreiben – das Schreiben war für mich selbst ein wichtiger Schritt zurück ins Leben.
In zwei Jahren schrieb und veröffentlichte ich auch zwei Romane: "Verblichene Zeilen eines Lebens", ein Buch für Erwachsene, und "Das magische Wettina", ein Kinderbuch. Beide spielen in meiner Heimatstadt Dresden und spiegeln meine Leidenschaft für Geschichte wider. Die Bücher sind überall erhältlich.
Als ich mein Kurskonzept der Zentralbibliothek in Dresden vorstellte, waren sie sofort begeistert. Schon bald durfte ich ehrenamtlich zweimal im Monat meinen Kurs "Schreib dich frei" anbieten, der nach wenigen Monaten ausgebucht war.
Susy wartet auf die Teilnehmer ihres Kurses "Schreib dich frei" in der Zentralbibliothek Dresden
Im nächsten Schritt wagte ich es, den Kurs gewerblich anzubieten und suchte einen geeigneten Raum. Eine Biergartenbesitzerin unterstützte mich großzügig, indem sie mir den Raum ihres Restaurants zur Verfügung stellte. Mit der Zeit kamen auch Frauen in Einzelbegleitung zu mir, die sich in einer Sinnkrise befanden. So wuchs meine Vision ganz allmählich weiter.
Susy fängt an ihren Kurs in einem neuen Raum gewerblich anzubieten
Wie ging es dann weiter?
In welchen Momenten hast Du an Dir gezweifelt & wie hast Du wieder Mut gefasst?
Ich habe oft schlechte Entscheidungen getroffen oder Fehler gemacht – nicht nur auf dem Weg in die Selbstständigkeit, sondern auch als Mutter, Ehefrau, Tochter, Freundin und Arbeitnehmerin. Früher war Perfektion mein Maßstab, und jeder eigene Fehler fühlte sich unverzeihlich an. Alles musste perfekt sein: die Leistung, das Aussehen, die Rollen als Mutter und Ehefrau. Dadurch habe ich mir oft selbst die Möglichkeit genommen, neue, unbekannte Wege zu erkunden und mich selbst besser kennenzulernen.
Zweifel begleiteten mich ständig – ob meine Selbstständigkeit klappen würde, das Konzept funktionierte, die Idee gut war oder ich selbst überhaupt gut genug bin. Mein innerer Kritiker ist nämlich genauso kreativ wie ich. Doch immer wieder gab es Menschen an meiner Seite, die an das glaubten, was ich tat, oder die einfach nur meine Unterstützung brauchten und von meiner Arbeit profitierten. Diese Unterstützung zeigte mir, dass Zweifel zwar nie ganz verschwinden, aber ich lernen kann, sie als Chance zu nutzen. Denn manchmal ermöglichen sie mir, „outside the box“ zu denken und Neues zu schaffen.
Susy hilft mit ihrer Arbeit anderen und schöpft daraus Energie für sich selbst
Wo stehst Du heute & wie sieht die Zukunft aus?
Heute bin ich mit mir selbst verbunden und weiß genau, was ich will. Das bedeutet nicht, dass ich keine Angst mehr habe oder nie verzweifle. Ich erlebe immer noch dunkle Stunden, aber ich kann nun sowohl Licht als auch Schatten sehen. Ich bin dankbar für alles, was ich habe, und ich habe gelernt, mir selbst Fehler zu verzeihen. Fehler sind menschlich, und oft weisen sie uns den richtigen Weg. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Echtheit. Wir haben nur dieses eine Leben, und das darf so sein, wie wir es selbst wollen – nicht wie es andere von uns erwarten.
Ich möchte mein Unternehmen Anima Pluma weiter ausbauen. Der Name kommt aus dem Lateinischen: „Anima“ bedeutet „Seele, Atem oder Leben“, und „Pluma“ steht für die Feder, ein Symbol für das Schreiben und die Leichtigkeit, die wir wiederfinden wollen. Mein Ziel ist es, Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten, ihnen zu helfen, ihren eigenen Sinn zu entdecken und zurück ins Strahlen zu finden. Ich möchte an ihrer Seite sein, wenn sie erste vorsichtige Schritte machen, bis sie schließlich selbstbewusst wie bunte Schmetterlinge durchs Leben fliegen. Einen sicheren Ort zu schaffen und diese Mission in die Welt zu tragen und zu teilen – das ist mein Antrieb.
Was hast Du aus dieser Erfahrung gelernt?
Ich habe gelernt, dass nur wir selbst dafür verantwortlich sind, ob wir zufrieden sind – und dass Zufriedenheit nicht von materiellen Statussymbolen abhängt. Ich bin mir selbst genug, und all das hat mir eigentlich schon meine Großmutter in meiner Kindheit und Jugend beigebracht. Erst viel später konnte ich das wirklich erkennen.
Welche Strategien, Methoden & Tools waren entscheidend für Deinen Erfolg?
Meine eigene Lebensvision zu entwickeln hat mir geholfen, meinen Weg und meinen Sinn zu finden. Dafür habe ich verschiedene Tools genutzt, wie intuitives Schreiben, Meditation und die Suche nach meinem eigenen „Warum“. Am liebsten war mir dabei jedoch immer das Schreiben, das ich bis heute gerne praktiziere.
Welche Bücher, Podcasts oder andere Ressourcen haben dich besonders inspiriert?
Ich habe viele Fachbücher gelesen. Besonders gern mag ich die Bücher von Michaela Brohm-Badry. Sie ist in ihren Büchern so sympathisch, und ihre Forschungen zur Motivation finde ich besonders spannend.
Ein großer Podcast-Fan war ich nie, aber einen Podcast höre ich total gern: "Betreutes Fühlen" mit Dr. Leon Windscheid und Atze Schröder. Die beiden bringen die Themen mit so viel Leichtigkeit und Empathie rüber, dass es einfach nur Spaß macht zuzuhören.
Meditation tut mir zu jeder Zeit gut. Die ersten Schritte in diesem Bereich machte ich mit Yoga Vidya, und dafür nutzte ich auch gern den Podcast "Koala Minds".
Welchen Rat kannst Du den Leuten, die Deine Geschichte hören, auf ihrem Weg mitgeben?
Hör niemals auf, an dich zu glauben. Du bist außergewöhnlich, genau so, wie du wirklich bist. Trau dich, darauf zu vertrauen.